Nachhaltigkeit

Der Hyperloop-Hype

So ökologisch wie ein Zug, so schnell wie ein Flugzeug – das sind die Hoffnungen, die man in den Hyperloop legt. Das System wird aber kontrovers diskutiert.
Text: Linda Benkö

Die Welle an Nachrichten zum Thema Hyperloop reißt nicht ab: Europas erste zertifizierte Hyperloop-Teststrecke im Maßstab 1:1 wurde bereits fertiggestellt. Das Technologieunternehmen Hardt Hyperloop hat sich Investitionen in Höhe von EUR 12 Mio. gesichert, die auf die Fertigstellung des European Hyperloop Center, kurz EHC, und des Hardt-Testfahrzeugs abzielen. Aber hat das das Hyperloop-Verkehrssystem, das durch den von PayPal-, Tesla- und SpaceX-Mitbegründer Elon Musk vor zehn Jahren initiierten Wettbewerb angestoßen wurde, wirklich Potenzial? Macht der hyperschnelle Transport von Passagierinnen und Passagieren sowie Gütern in der Vakuumröhre ökonomisch Sinn? Und wie steht es wirklich um die technische Machbarkeit? Hyperloops würden jedenfalls zwei Drittel des Flugverkehrs innerhalb von Europa überflüssig machen. Mindestens ein Fünftel des Warentransports per LKW wäre obsolet. So hoffnungsfroh klingt es auf der Website des niederländischen Hyperloop Development Program, HDP. Dort sind auch die veranschlagten Kosten nachzulesen: knapp EUR 1.000 Mrd. Ist das alles also Zukunftsmusik oder bereits mehr? Eine erste Strecke für den Frachtverkehr beziehungsweise ein System im kleineren Maßstab könnte schon 2029 den Betrieb aufnehmen, so die Expertinnen und Experten von HDP. Bei der Realisierung der Hyperloop-Idee gibt es naheliegenderweise technische Herausforderungen, ab er auch politische. Nicht erstere sondern letztere überwiegen, heißt es bei Swissloop. Schließlich erfordere die Realisierung eines solchen Netzes die Zusammenarbeit mehrerer Staaten sowie eine finanzielle Zusammenarbeit von Regierungen

Verkehrsfachleute bleiben skeptisch

Das 2016 gegründete Fokusprojekt entstand im Zuge von Musks Hyperloop-Whitepaper und dem folgenden Open Source Wettbewerb. Es ist nur konsequent, dass die Schweiz für ihr Projekt brennt. Allerdings: In einer im Vorjahr durchgeführten internationalen Umfrage äußerten sich Verkehrsfachleute kritisch. Initiator der Befragung war das International Maglev Board, eine wissenschaftliche Nonprofit-Organisation, in Zusammenarbeit mit der Technischen Hochschule Deggendorf. Insgesamt haben 1.036 Personen aus 48 Ländern teilgenommen. Doch der Reihe nach: Die Idee des Rohrpostzugs fasziniert und entfacht die Fantasie von Wissenschafterinnen und Wissenschaftlern sowie Laien gleichermaßen. Und das nicht erst seit Elon Musk. „Die Idee, Güter in luftreduzierten Röhren zu transportieren, gibt es schon seit 150 Jahren”, sagt Johannes Klühspies, Professor an der THD-Fakultät für Angewandte Wissenschaften. Heute wird in verschiedenen Projekten und Konstellationen am Hyperloop gearbeitet und geforscht – in den USA genauso wie in China, in Europa wie in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Die Hyperloop-Technologie benötigt zunächst drei Dinge: Röhren, Kabinenkapseln und Terminals. Die Idee dahinter: Die Kapseln oder Pods mit Menschen oder Gütern schießen mit sehr hoher Geschwindigkeit – um die 1.000 km/h – durch eine Röhre, in der ein weitgehendes Vakuum herrscht. Auf den Röhren könnte man Solarpaneele anbringen. Damit das Hochgeschwindigkeits-Transportsystem wirklich funktioniert, braucht es jedoch wesentlich mehr. Die Pods bewegen sich dank eines magnetischen Antriebs im Inneren der Röhren weitgehend frei von Luftwiderstand und Reibung. Wie bei allen Magnetschwebebahnsystemen wäre eine völlig neue Infrastruktur erforderlich. Schon jetzt ist damit klar, dass Hyperloops sich eher an der Nachfrage orientieren würden, als nach festem Fahrplan zu verkehren.

(c) Delft Hyperloop

Große Herausforderungen für kleine Länder

Wegen des geringen Luftwiderstands soll der Energieaufwand deutlich geringer sein als bei anderen Verkehrsmitteln, meinen die vielen Forscherteams. Der Antrieb ähnelt der von Siemens und ThyssenKrupp entwickelten Magnetschwebebahn Transrapid. Bis vor kurzem noch diente ein 1,6 Kilometer langer Streifen auf dem Firmengelände von SpaceX im kalifornischen Hawthorne als Teststrecke. Die SpaceX-Röhre wurde allerdings mittlerweile abgebaut. In der Schweiz, in Collombey-Muraz, entsteht derzeit die mit 3,1 Kilometern längste Teststrecke, der AlphaTube. Swissloop hat sich auf die Konzeption der Pods spezialisiert, die ebenfalls studentisch geführte Swissloop Tunneling forscht nach Tunnellösungen. Der dritte im Cluster ist Eurotube in Zürich – wie der Name schon verrät, geht es hier um die Infrastruktur und die Röhren, wobei Eurotube mit den SBB kooperiert. Die Länge wurde so berechnet, dass Hochgeschwindigkeitsfahrzeuge mit bis zu 900 km/h getestet werden können – sicheres Beschleunigen und Abbremsen sei gewährleistet.

Würde ein Netz von Hyperloop-Bahnen ganz Europa durchziehen, wären kleine Länder wie Österreich und die Schweiz fraglos „mittendrin”, formuliert es Julie Schmitt von Swissloop: „Es gäbe Stationen in Zürich, Genf oder Bern”. Das Netz könnte 130 europäische Städte auf insgesamt rund 25.000 Kilometern miteinander verbinden. Allerdings stehen Österreich, die Schweiz und auch andere europäische Staaten vor topografischen und mit der hohen Bevölkerungsdichte auch vor demografischen Herausforderungen. Jedenfalls wäre die Strecke Berlin-Zürich in 30 Minuten möglich – mit dem ICE dauert es bisher viereinhalb Stunden. Die Nationen USA, China oder Russland dürften eher von den für die Geschwindigkeitsentwicklungen nötigen Distanzen profitieren, und im Fall von China wäre auch das Bevölkerungspotenzial vorhanden, das damit bedient werden kann. Schmitt ist überzeugt, „dass ein funktionierendes Hyperloop-System auf Länderebene in circa 15 bis 20 Jahren in den USA und den VAE denkbar ist.” In Ländern wie der Schweiz oder Österreich müsse man eher mit 30 Jahren rechnen. Bei Swissloop geht man davon aus, dass zwar die Installationen kostenaufwändig wären, dafür Instandhaltung und Betriebskosten vergleichsweise niedrig. In manchen Modellen geht man von Röhren auf Stützen aus, statt dass diese direkt auf dem Grund liegen – dies halte den Bau ebenfalls günstig. Andere Konzepte favorisieren unterirdische Lösungen, da diese Tunnel resilienter gegen Witterungseinflüsse und andere Gefahren an der Oberfläche seien. Musk jedenfalls habe in seinem Whitepaper ausgerechnet, so die Swissloop-Expertinnen und -Experten, dass ein Hyperloop-System in 30 bis 40 Jahren profitabel wäre.

Sinnvoll für Kühlwaren und Medikamente

Güter und Waren könnten sehr schnell und damit relativ billig über große Strecken transportiert werden, meinen die Befürworterinnen und Befürworter. Dies käme vor allem Kühlwaren oder Medikamenten, die schnell von A nach B kommen müssen, zugute. Forschergruppen zum Thema gibt es auch in den Niederlanden, in China und in den USA. In Spanien hat das Deep-Tech-Unternehmen Zeleros auf dem Weg zur „skalierbaren Ultrahochgeschwindigkeits-Mobilitätslösung” mit dem Stahl- und Bergbaukonzern ArcelorMittal bereits Versuche durchgeführt, um das Verhalten von Stahlsorten für den optimalen Einsatz in Hyperloops zu analysieren. Zur Entwicklung eines „emissionsfreien Antriebssystems” hat sich Zeleros mit ITP Aero zusammengetan. Die spanischen und schweizerischen Expertinnen und Experten sehen die Nachhaltigkeit als gegeben an, da die Elektromotoren per Batterie betrieben würden, die keine direkten Kohlenstoffemissionen verursachen und die durch die Bewegung der Turbinen zusätzlich gespeist würden. „Durch das Vakuum benötigt die Kapsel nur Energie um angestoßen und wieder abgebremst zu werden.“ Während der Fahrt schlügen nur die elektromagnetischen Schwebesysteme und Motoren zu Buche. Das Antriebssystem sei vor äußeren Einflüssen wie Schnee, Sand, Vogelschlag und anderen Umwelteinflüssen geschützt. Aufbau und Wartung sieht man daher eher komplikationslos und günstig.

Fragezeichen bezüglich Kosten und Sicherheit

Die Resultate der eingangs zitierten Umfrage sprechen jedoch eine andere Sprache. Sie legen nahe, dass das hyperschnelle Reisen in naher Zukunft ein Minderheitenprogramm bliebe oder doch gar nicht umgesetzt würde: Die Befragten schätzten die für die Infrastruktur notwendigen Investitionen als sehr hoch, den Betrieb als sehr aufwendig ein. Befürchtet werden zudem Sicherheitsrisiken beim Personentransport. Auch die Art und Weise, wie ein Hyperloop an bereits vorhandene Verkehrssysteme angebunden werden soll, sei fraglich. „Österreich und sogar auch Deutschland sind viel zu klein, um derartige Verkehrssysteme sinnvoll zu betreiben”, sagt Klühspies, der auch Präsident des International Maglev Board ist. Da man eine gewisse Zeit benötigt, um zu beschleunigen, und dieselbe Zeit, um wieder abzubremsen, hätte man bei kurzen Distanzen kaum einen Reisezeitgewinn. Zudem müsse man den luftleeren Raum garantieren können – und die Sauerstoffversorgung der Reisenden. Die Instandhaltungs-, Wartungs- und Sicherungskosten würden arg unterschätzt. Über mehrere Tausende Kilometer müssten die Betreiber garantieren, dass es zu keinem Luft- und Wassereintritt komme, es keine Korrosion gebe. Aber allein ungleiche Sonneneinstrahlung beeinflusse das Material der Röhren. Der Untergrund als Alternative sei wiederum extrem kostenintensiv.

(c) TUM Hyperloop

Zeitlich gesehen benötige man ebenfalls extrem lange Sicherheitsabstände, sodass die Beförderungskapazität gering bliebe. Fragezeichen beim Gütertransport sind die entsprechende Infrastruktur wie Verteilerstationen und auch hier – wie beim Passagiertransport – die Herausforderung, dass die Fahrzeuge von einer Druckumgebung in ein Vakuum wechseln müssen. Klühspies' Fazit: „Technisch machbar – aber betrieblich und ökonomisch gesehen fraglich.” Eigentlich gehe es um etwas anderes, nämlich die Erforschung unterschiedlichster Technologien, die sich durch die Arbeit an diesem Konzept ergeben. Der Haupteffekt sei der Erkenntnisgewinn vor allem in den Bereichen Magnetschwebe und kontaktfreie Energieübertragung.

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