(c) Vincent Callebaut Architectures, Paris
Nachhaltigkeit

Land unter: Konzepte für ein Leben mit der Flut

Der Meeresspiegel steigt. Und eher früher als später müssen Küstenstädte darauf reagieren. Manche haben das schon getan. Für den Ernstfall gibt es aber noch spannende Konzepte.

Der Freiheitsstatute in New York steht das Wasser bis zum Hals. In Los Angeles treiben die Buchstaben des berühmten HOLLYWOOD-Schriftzugs in den Fluten. Es ist zu spät. Die Katastrophe ist eingetreten. Riesige Wellen überschwemmen Stadt und Land. Auf der ganzen Welt. Es gibt kein Entkommen.

Solche apokalyptischen Szenen hat man schon in vielen Katastrophenfilmen wie The Day After Tomorrow gesehen. Erleben wird man sie in dieser Intensität wohl nicht. So fern der Realität, wie man es sich wünscht, sind sie aber auch nicht. Denn klar ist: Der Meeresspiegel steigt. Nicht sintflutartig, aber konsequent.

In vielen Küstenstädten wird das Grundwasser doppelt so viel Gelände überschwemmen wie die Meeresflut.
Kristina Hill

Unterschiedliche Prognosen und ein großes Problem

Die Organisation Climate Central geht davon aus, dass der globale Meeresspiegel im Laufe des Jahrhunderts um bis zu 2 m ansteigt. Für rund 200 Millionen Menschen hätte das fatale Folgen. Eine Expertin meint, dass es sogar noch schlimmer wird: „Wir müssen uns auf einen Meeresspiegelanstieg von drei Metern vorbereiten, vielleicht sogar mehr. Wir wissen nicht genau, ob das schon in den nächsten 35 Jahren passiert oder länger dauert, aber dass es passiert, ist sicher“, sagt Kristina Hill, Professorin für städtische Ökologie an der University of California in Berkeley in einem Interview mit dem Süddeutsche Zeitung Magazin. Sie forscht an innovativen Lösungen, um Küstenregionen zu retten. Problematisch, sagt sie, seien aber nicht nur die Wassermassen aus dem Meer. „In vielen Küstenstädten wird das Grundwasser doppelt so viel Gelände überschwemmen wie die Meeresflut, denn wenn der Meeresspiegel steigt, kann er auch das Grundwasser nach oben drücken – und zwar auch in Gegenden, die bislang als sicher galten.“

Wasserfeste Erdgeschosse und aufgeschütteter Sand

Jede und jeder kann viel tun, um die Folgen der Klimakrise zumindest abzuschwächen. Lösungsansätze gibt es aber auch für den Ernstfall. Schließlich ist der schon oft eingetreten. Betroffene Regionen haben Vorkehrungen getroffen. Es gibt Dämme, Wasserpumpen und Überlaufbecken. Naturnahe Lebensräume wurden wiederhergestellt und Gebäude aufgerüstet. In New Orleans hat man nach Hurricane Katrina die Dämme verstärkt, Hochwasserwände und Dammbarrieren gebaut. Für die Expertin ist das nicht unbedingt die beste Lösung: „Viele Menschen in New Orleans sehen das Wasser nicht mehr … Man verliert das Bewusstsein für seine Umgebung“, sagt Kristina Hill im Interview mit dem Süddeutsche Zeitung Magazin. Und liefert ein positives Beispiel: „Die Hafencity Hamburg dagegen hat in den am meisten gefährdeten Bereichen wasserfeste Erdgeschosse gebaut, mit wasserdichten Garagen und Verbindungswegen im ersten Stock. Besonders gut gefällt mir, dass die Wege breit genug sind für einen Notarztwagen.“

Maldives Floating City
Das Logo der "Maldives Floating City" auf schwarzem Hintergrund.

Neue Baugründe und innovative Lösungen

In den Niederlanden beschäftigt man sich schon lange mit dem Thema. Immerhin liegt die Hälfte des Landes weniger als einen Meter über und rund ein Viertel sogar unter dem Meeresspiegel. Deshalb hat man zum Beispiel im Zuge des Sand Motor Projekts vor dem eigentlichen Dünengürtel im Süden 21,5 Mio. m³ Sand aufgeschüttet. „Der Sand bewegt sich mit den Wellen und dem Wind, wie ein Muskel, der tatsächlich das Ufer und die Gemeinden hinter den Dünen schützt“, erklärt Kristina Hill

Man hat aber auch schon andere Lösungen realisiert. 2012 wurde Steigereiland vollendet: eine von drei künstlichen Inseln mit schwimmenden Häusern. Zusammen bilden sie den neuen Stadtteil Ijburg im Osten Amsterdams, in dem 2020 bereits 24.000 Menschen lebten.

Mit Waterstudio.nl gibt es in den Niederlanden sogar ein Architekturbüro, das sich nur auf das Wohnen am Wasser spezialisiert hat. Das aktuell wohl beeindruckendste Projekt ist auf den Malediven kurz vor der Umsetzung: die Maldives Floating City. Nach mehr als einem Jahrzehnt in der Entwicklung entsteht – nur zehn Minuten mit dem Boot von der Hauptstadt Male entfernt – die erste schwimmende Inselstadt der Welt. Tausende Häuser werden entlang eines flexiblen Gitters in einer 200 ha großen Lagune schweben. Von oben betrachtet, erinnert die Stadt an eine sogenannte Hirnkoralle. Apropos: An der Unterseite wird man künstliche Korallenbänke anbringen. 2022 soll mit den Bauarbeiten an diesem durch und durch nachhaltigen Projekt begonnen werden.

Konzepte mit schwimmenden Häusern gibt es einige. Wie aus einem Science-Fiction-Film wirkt das Projekt AEQUOREA von Vincent Callebaut Architectures.Die Oceanscraper, wie die Gebäude genannt werden,sind im Meer schwimmende Hochhäuser, die teilweise über Wasser liegen, aber gleichzeitig auch 1.000 Meter tief ist. Auf jeweils 250 Stockwerken befinden sich unter anderem 10.000 Wohneinheiten und öffentliche Einrichtungen. Und nicht nur, dass es großzügige Flächen für Permakultur und Agrarökologie gibt, die Bauteile sollen aus dem 3D-Drucker kommen und sich aus Algen und im Meer treibendem Plastikmüll zusammensetzen.

Ob utopisch oder schon in der Umsetzung, eines ist klar: Menschen auf der ganzen Welt beschäftigen sich mit den Folgen der Kimakrise. Und tun etwas dagegen. Sie entwickeln innovative Konzepte, die Menschenleben retten und die Welt verändern. Welche wirklich umgesetzt werden und umgesetzt werden müssen, wird man sehen. Die Zukunft bleibt jedenfalls spannend.

(c) Vincent Callebaut Architectures, Paris
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