Nachhaltigkeit

Stadtentwicklung: Harmonie der Unterschiede

Stadt oder Land – diese Entscheidung muss man nicht treffen. Denn die Natur bekommt immer mehr Platz im urbanen Raum. Und das hat viele Vorteile. Für die Menschen. Und für die Umwelt.

„Schau, da, am Stein, eine Eidechse“, sagt sie und deutet zum Teich.

„Genau, eine Zauneidechse ist das. Die haben sich hier angesiedelt, lange bevor wir diese Häuser gebaut haben“, erklärt ihr Vater.

„Du hast diese Häuser gebaut?“

„Mit meinem Team gemeinsam, ja.“

„Und warum habt ihr da kein Haus gebaut?“, fragt sie und zeigt auf die Wiese.

„Weil es hier viele Tiere gibt: Zauneidechsen, Wechselkröten, Wildbienen, Vögel …“

„Und die können nicht in einem Haus wohnen …“

„Nein“, sagt er und schmunzelt, „aber die Menschen, die in der Stadt leben, haben auch gerne eine Wiese vor der Haustür.“

„Damit sie Fangen spielen können.“

„Zum Beispiel. Und damit sie sich erholen können.“

„Wenn ich einmal groß bin, will ich auch Häuser und Wiesen bauen“, sagt sie und lächelt zufrieden.

Ab durch die Freie Mitte

Wo einst der „schönste Bahnhof von Wien“ war, der Nordbahnhof nämlich, wird bis 2026 ein neues Stadtviertel gebaut. Die PORR realisiert hier als Generalunternehmerin einige Wohn-, Geschäfts- und Büroflächen. Und weil ein Naherholungsgebiet für viele Menschen ein entscheidendes Kriterium in der Wohl ihres Wohnorts ist, wird bis 2025 auch eine einzigartige Natur- und Parkanlage entstehen, die näher nicht sein könnte: Nordbahnhof – Freie Mitte.

Das 9,3 Hektar große Erholungsgebiet wird vor allem auch Lebensraum für viele Tiere und Pflanzen sein. So gibt es hier zum Beispiel Zauneidechsen, die streng geschützten Wechselkröten, 150 Wildbienenarten, verschiedene Schmetterlinge, die Große Wiesenameise, seltene Vogelarten, Feldhasen und Turmfalken. Mitten in der Stadt. Außerdem werden Teile der alten Eisenbahnanlage genauso erhalten wie zwei Teichflächen und der Altbaumbestand. Es wird Holzstege und einen Spielplatz geben. Und dazu noch Hundezonen, Trinkbrunnen, Sitzmöbel, Naturbeobachtungspunkte, einen Skate-Park, einen Fahrrad-Parcour und noch Vieles mehr.

Die Freie Mitte wird etappenweise umgesetzt. Ebenfalls in Etappen werden die Gebäude am Nordbahnhof-Areal errichtet, bis 2026 sind rund 10.000 Wohnungen und 20.000 Arbeitsplätze inklusive Folgeeinrichtungen vorgesehen. Die Natur und die Gebäude ergänzen sich optimal. Denn so einen Park ermöglichen nur zahlreiche bauliche Maßnahmen, die in einem sehr umfangreichen Naturschutzbescheid zusammengefasst sind. Dazu zählen etwa Einbauquartiere für Fledermäuse in den Fassaden, Nistplätze für Turmfalken an den Gebäuden oder Aufenthalts- und Reproduktionsflächen für Zauneidechsen und Wechselkröten.

(c) GB*

Gegensätze ziehen uns an

Das Nordbahnhof-Areal in Wien ist nur eines von vielen Beispielen, das zeigt, wohin sich der städtische Wohnbau entwickelt. Und wie wir jetzt und in Zukunft leben. Denn die Urbanisierung schreitet schnell voran. Immer mehr Menschen zieht es in die Städte – hin zu den vielfältigen Karrierechancen, den modernen Wohnungen, der guten Infrastruktur, den scheinbar unzähligen Möglichkeiten. Aber ob man nun in eine Stadt gezogen oder in einer geboren und aufgewachsen ist – alle wollen Natur in der Nähe haben. Grünflächen sind schließlich Erholungsgebiete. Sie erhöhen die Lebensqualität, beeinflussen das Freizeitverhalten positiv, reduzieren Emissionen, verbessern das Mikroklima und fördern das Naturverständnis der Städter*innen. Außerdem steigern Grünflächen die Biodiversität im urbanen Gebiet.

Die Natur erobert sich immer mehr Raum zurück. Weil der Mensch das so will. Weil wir gerne eine Wiese vor der Haustür haben. Gleich neben einer U-Bahnstation im Idealfall. Es ist dieser harmonische Gegensatz, der uns anzieht. Der zeigt, wie wichtig die Umwelt für uns ist. Und wie wichtig uns die Umwelt ist.

Wussten Sie, ...

  • … dass das Bundesland Wien zu 50 % aus Grünflächen besteht? Der Anteil öffentlich zugänglicher Grünflächen beträgt 31 % der Gesamtfläche. Und zwei Drittel der Wiener*innen wohnen weniger als 250 m von so einer öffentlichen zugänglichen Grünfläche entfernt.
  • … dass die Biodiversität von baumbewohnenden Insekten und Spinnen in Städten sogar größer sein kann als am intensiv genutzten Agrarland? Vorausgesetzt, es gibt ausreichend Grünelemente. Das ist das Ergebnis einer Studie von zwei Forscherinnen, die sechs Schweizer Städte untersucht haben.
  • … dass in Wien 135 geschützte Schmetterlingsarten leben? Und 22 Fledermausarten, 450 Wildbienenarten und 2.400 Pflanzenarten. Selbst am Zentralfriedhof sieht man immer wieder Rehe, Füchse und Igel.

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