Digitalisierung

Wie Künstliche Intelligenz das Bauen revolutioniert

Alle reden über KI. Viele nutzen sie. Einige aber warnen sogar davor. Die Baubranche kann jedenfalls von Künstlicher Intelligenz profitieren. Und zwar so.
Text: Karin Bornett

Der Auftrag: eine neue Wohnanlage. Die Energieversorgung soll ins erneuerbare Smart Grid der anliegenden Gebäude integriert werden. Ausreichend Grünraum, barrierefreie Zugänge und Ladestationen für E-Bikes, Terrassen mit Privatsphäre und soziale Treffpunkte sind weitere Anforderungen. So weit, so gut. Man stelle sich nun aber vor, dass man zur Planung nur die realistischen Eckdaten braucht – also die Grundstücksfläche, erforderliche Wohneinheiten, gewünschte Freiflächen und so weiter. Einmal eine KI mit diesen Daten gefüttert, spuckt sie innerhalb weniger Minuten mehrere Pläne aus – zum Beispiel die energieeffizienteste, die kostengünstigste, die ökologischste oder langlebigste Variante. Die Methode, aus vielen Varianten eines Modells die beste Option zu finden, ist nur mit digitaler Hilfe möglich beziehungsweise effizient. Der Fachausdruck lautet generatives Design.

Weniger Kosten, schnellere Abwicklung

Für ein reales Wohnprojekt hat das KI-Projektmanagementsystem ALICE in vier Tagen 300 alternative Szenarien erstellt. „Sieben von ihnen waren dem Original überlegen. Die Projektdauer wurde um 18 % kürzer. Es wurden 15 % Kostensenkung erzielt“, berichtet das Fraunhofer Institut in seiner Studie KI in der Bauwirtschaft. Die Prognosen von KI basieren grundsätzlich auf bestehenden Datenbanken, die Statistik-Algorithmen automatisieren, kombinieren und auswerten. Sind die Baupläne fertig und alle Fragen geklärt, Materialien und Baustoffe ausgewählt, kann die KI mit der Logistik beginnen: von der Angebotseinholung bei Subunternehmen, der Bestellung der Materialien bis zur Koordination der Lieferungen und Gewerke. Voraussetzung für diese schöne neue Welt ist, dass alle Schnittstellen vernetzt und die Daten nicht nur eingegeben, sondern auch laufend aktualisiert werden. Dass die Digitalisierung von Planungsphase bis Baustelle keine Zukunftsvision mehr ist, zeigt unter anderem das Projekt der PORR zur Generalsanierung der A9 Pyhrnautobahn im Auftrag der ASFINAG. Dabei kommt die Building Information Cloud von Infrakit, eine onlinebasierte Digitalisierungsplattform aus Finnland, zum Einsatz. Sie stellt alle baurelevanten Daten visuell dar. Für die Optimierung von Logistikprozessen sorgen digitale Lösungen wie beispielsweise die BauProzessOptimierung. Und Künstliche Intelligenz spielt natürlich auch eine wichtige Rolle. „Bauen ist ein komplexes Thema, KI wird uns in der Baubranche dabei helfen, aus vielen Informationen Nutzen zu ziehen - Risiken erkennen, aus Erfahrungen lernen und Optimierungspotenziale erkennen. Doch ohne Fachwissen und kompetente Expertinnen und Experten, die diese Informationen bewerten, ist es nicht möglich. In der PORR führen wir derzeit Pilotprojekte mit ausgewählten Baustellenteams durch, um den gezielten Einsatz von KI zu erlernen", sagt Karina Schiefer, Leitung Innovationsmanagement bei der PORR AG.

Wie KI bei der Planung von großen Gebäuden unterstützen kann. Foto generiert mit (c) Midjourney

Neues Sicherheitslevel

Auf der Baustelle kann KI auch einen großen Beitrag zur Erhöhung der Sicherheit leisten. Smarte Sensoren zur Objekterkennung und -klassifizierung können ungeschützte Gefahrzonen identifizieren – wie fehlende Auffangnetze, Nässe oder fehlerhaft aufgebaute Gerüste. Auch Vermessungen an riskanten Stellen ohne menschliche Hilfe sind dank intelligenter Technologien möglich. Genauso wie die Warnung vor bevorstehenden Kollisionen zwischen Menschen, Fahrzeugen und anderen Maschinen. Natürlich werden auch Baumaterialien und -teile immer intelligenter. Eingebaute digitale Sensoren schlagen beispielsweise Alarm, wenn Risse im Beton zu groß werden oder Holz zu feucht wird – im Lager, beim Bauen und im laufenden Betrieb. Neben der Überwachung von Technik und Material und der Alarmierung im Schadensfall oder bei Gefahren können intelligente Systeme und Sensoren das Facility Management auch hinsichtlich Energieeffizienz unterstützen. Heizen und Kühlen sind zwar in der Regel längst automatisiert, allerdings werden Umwelteinflüsse und individuelle Bedürfnisse von herkömmlichen Systemen nur bedingt berücksichtigt. KI-Systeme sind im Vergleich viel flexibler und lernen selbstständig aus dem Nutzerverhalten.

Gekommen, um zu bleiben

Last but not least: KI wird künftig auch in der Personalverwaltung von Bauunternehmen eine wichtige Unterstützung sein. Ob bei der Suche nach geeigneten Fachkräften, bei der Planung von Schulungen und Fortbildungen oder der Erfassung von Arbeitszeiten und der Verwaltung von Lohnabrechnungen. KI ist jedenfalls gekommen, um zu bleiben. Auch wenn es noch Grenzen gibt: Das KI-Programm ChatGPT spuckt, gefragt nach den Grenzen von KI in der Baubranche, folgende Antwort aus: „KI-Systeme sind nicht in der Lage, menschliche Emotionen oder Empathie zu verstehen oder angemessen darauf zu reagieren. In der Baubranche kann es Situationen geben, in denen zwischenmenschliche Kommunikation und emotionales Verständnis eine wichtige Rolle spielen, beispielsweise bei Verhandlungen, Konfliktlösungen oder Kundenservice.“ In punkto sozialer Interaktion und Kundenbeziehungen wird KI dem Menschen also nicht so schnell das Wasser reichen können. Ein freundliches Lächeln, Situationskomik oder Insiderwitz, mitfühlende Worte und anerkennende Blicke lassen sich eben nicht in Algorithmen schreiben.

Auch in Sachen Kreativität und Designästhetik ortet ChatGPT Schwächen: „Obwohl KI beim Erstellen von Entwürfen unterstützen kann, fehlt ihr oft das Verständnis für ästhetische Aspekte und den kreativen Prozess. Das Design von Gebäuden und städtebaulichen Projekten erfordert oft menschliche Expertise, um ästhetisch ansprechende und funktional durchdachte Lösungen zu entwickeln.“ Der Mensch wird also auch in Zukunft nicht ganz obsolet sein.

KI in der Bauwirtschaft. Generiert mit (c) bing

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