Neubau Albulatunnel II
Im Schweizer Kanton Graubünden arbeitet die PORR an einer der höchstgelegenen untertägigen Alpendurchquerungen, dem 6km langen Albulatunnel auf 1.800m Seehöhe.
Die exponierte Lage der Baustelle sowie deren technischen Rahmenbedingungen stellen das PORR Tunnelbau-Team seit drei Jahren auf eine harte Probe. Vor allem die unterschiedlichen geologischen Formationen hielten einige Überraschungen parat.
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AuftraggeberRhätische Bahn AG
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AuftragnehmerARGE Neubau Albulatunnel II: PORR SUISSE AG, Walo Bertschinger AG, Società Italiana per Condotte d'Acqua S.p.A.
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ProjektartTiefbau/Infrastruktur, Tunnelbau
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LeistungsumfangNeubau des rund 6 km langen Albulatunnel II
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Auftragsvolumenca. CHF 125 Mio. (ca. EUR 110 Mio.)
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Baubeginn2015
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Bauende2020
Hintergrund
Auf einer Gesamtlänge von 62 km überbrückt die Bahnlinie von Thusis nach St. Moritz mit insgesamt 42 Tunnel und 144 Brücken mehr als 1.000 Höhenmeter. Herzstück der Strecke ist der im Jahr 1903 in Betrieb genommene Albulatunnel, der im Jahr 2008 zum UNESCO-Weltkulturerbe erhoben wurde. Allerdings weist der mehr als 110 Jahre alte Tunnel mittlerweile erhebliche technische Mängel auf. Aufgrund des geringen Kostenunterschieds sowie der geringeren Einflüsse auf den laufenden Bahnbetrieb entschied sich die Rhätische Bahn im Jahre 2006 gegen eine umfassende Sanierung und für einen Neubau des Tunnels.
Damit kann auch den modernen Sicherheitsanforderungen besser Rechnung getragen werden. Im Winter 2014/2015 erhielt die PORR SUISSE AG als federführendes Mitglied einer ARGE mit dem Schweizer Unternehmen Walo Bertschinger AG und Società Italiana per Condotte d'Acqua S.p.A. den Zuschlag für den Bau des neuen Tunnels. Die Auftragssumme beträgt rund CHF 125 Mio. (ca. EUR 110 Mio.). Die Übergabe des Tunnels war ursprünglich für den August 2019 geplant. Aufgrund der angetroffenen geologischen Verhältnisse dauerten die Vortriebsarbeiten jedoch um etwa ein Jahr länger als prognostiziert.
Umfassende Vorarbeiten
Vor dem eigentlichen Beginn der Vortriebsarbeiten mussten umfangreiche Vorarbeiten durchgeführt werden. Auf den beiden Installationsplätzen in Preda und Spinas errichtete die ARGE Bürokomplexe, eine Unterkunftsbaracke für 65 Personen, Gewässerschutzanlagen zur Säuberung der Tunnelabwässer, zwei Betonanlagen, Werkstätten für die Geräteinstandsetzung sowie ein Kieswerk zur Aufbereitung des ausgebrochenen Materials. Von Dezember bis März ist die Baustelle geschlossen und nur per Eisenbahn erreichbar, da die Passstraße von Bergün nach Preda gesperrt ist und als Schlittenbahn genutzt wird. Sämtliche Antransporte von Massengütern müssen vertraglich bedingt per Bahn erfolgen.
Tunnelvortrieb
Der Vortrieb erfolgte über zwei Angriffe von Norden (Preda) und Süden (Spinas). Durch den kleinen Querschnitt des eingleisigen Tunnels von nur 35 m² ist ein gut abgestimmtes Gerätekonzept unerlässlich. Dennoch wirkte der eigentliche Tunnelvortrieb neben den enormen logistischen und technischen Herausforderungen bei der Materialaufbereitung und Baustellenversorgung auf den ersten Blick fast ein wenig nebensächlich. Die vielen unterschiedlichen geologischen Formationen hielten aber für alle Projektbeteiligten einige Überraschungen parat.
In Preda starteten die Ausbruchsarbeiten im Lockergestein auf den ersten 37 m im Schutze von vier Rohrschirmetappen. Aufgrund des hohen Verwitterungsgrads und der geringen Gesteinsfestigkeiten musste dieser Bereich mittels Tunnelbagger ausgebrochen werden. Im darauffolgenden Abschnitt des Allgäuschiefers konnte auf Sprengvortrieb umgestellt werden. Allerdings erwies sich das dunkle, feinschiefrige Gestein als sehr nachbrüchig und reagierte bei mechanischer Belastung unter Wassereinfluss stark schlammbildend. Bei Wasserzutritten von 45 l/s wurden die Gewässerschutzanlagen zum ersten Mal auf eine harte Probe gestellt. Bis zu 50 Ortsbrustinjektionen in einem Abstand von 15 m waren nötig, um diesen Bereich in mehreren Etappen zu stabilisieren.
Den bautechnisch anspruchsvollsten Bereich stellte die Raibler Formation dar. Geologisch gesehen besteht die Raibler Rauwacke aus porösen Dolomiten mit Hohlräumen. Diese Matrix beinhaltet Fremdkomponenten mit Schiefer-, Kalk- und Granitgestein sowie gipshaltigen Schlamm. Beim Bau des ersten Albulatunnels kam es hier zu einem Schlammeinbruch, der die damalige Baufirma in den Konkurs zwang und die Baustelle für ein Jahr lahmlegte.
Deshalb wurde der Abschnitt dieses Mal in drei Zonen unterteilt, wobei der ungünstigste dritte Abschnitt im Schutze eines Gefrierkörpers ausgebrochen wurde. Die Erstellung der Vereisungszone sowie der Gegenvortrieb dieses Bereichs erfolgten aus einer Kaverne heraus, die ersten beiden Zonen wurden im Baggervortrieb aufgefahren. Durch die aufwendigen Sicherungsmaßnahmen mit Ortsbrustanker, Injektionen, Spiesse und Spritzbeton reduzierte sich in diesem Abschnitt die mittlere Vortriebsleistung auf täglich rund 95 cm. Aufgrund der Erkundungsergebnisse und der mehrmals geänderten Ausführungsplanung wurde mit der Bauherrin eine leistungsunabhängige Vergütung der Ausbrucharbeiten vereinbart. Der Vortrieb im Albulagranit stellte streckenmäßig den Hauptanteil der Sprengarbeiten dar. Vor allem der hohe Verschleiß am Bohrwerkzeug und die starke Durchtrennung des Gebirges machten den Teams zu schaffen.
In Spinas kamen auf den ersten Vortriebsmetern ebenfalls Rohrschirme als Ausbruchsicherung zum Einsatz. In diesem 250 m langen Lockergesteinsbereich ereignete sich ein sogenannter Verbruch, der den Vortrieb für über einen Monat stoppte. An die 500 m³ Schlamm und Gestein drangen aus der Firste in den Tunnel ein. Glücklicherweise kam es hier zu keinen Personenschäden. Erst nach umfangreichen Schaum- und Zementinjektionen konnte dieser Abschnitt stabilisiert und durchörtert werden. Im darauffolgenden Sprengvortrieb im Granit musste jede Sprengung in einem mit dem Bahnbetreiber abgestimmten Sprengfenster erfolgen. Aufgrund des geringen Abstands zur Bestandsröhre durften die zulässigen Erschütterungen einen Grenzwert von 60 mm/s nicht überschreiten. Trotz dieser einschränkenden Rahmenbedingungen erreichte die ARGE Tagesleistungen von 20 m je Arbeitstag. Ein wichtiger Meilenstein wurde am 2. Oktober 2018 mit dem Durchschlag zum Vortrieb Preda erreicht.
Materialaufbereitung
Da der Tunnelvortrieb von zwei Seiten her erfolgte, musste das im Tunnel vorgebrochene Material von Spinas per Bahn nach Preda transportiert werden. Je nach Materialqualität wird das Gestein entweder zu Betonzuschlagstoffen und Gleisschotter aufbereitet oder vor Ort in der Inertstoffdeponie eingebaut. In dem von der ARGE betriebenen Kieswerk können wöchentlich bis zu 4.000 t Ausbruchmaterial aufbereitet werden. In den baustelleneigenen Betonanlagen werden diese weiter zu Spritz- und Konstruktionsbeton für die Rohbauarbeiten im Tunnel verarbeitet.
Momentan wird an den Tunnelvorabdichtungen gearbeitet. Diese verhindern das Eindringen von Bergwasser in das Tunnelinnere. Anfang 2019 starten die Innenausbauarbeiten, die noch bis Ende 2020 andauern werden.
Technische Daten
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Meereshöhe1.800 m über dem Meer
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Ausbruchsvolumen fest230.000 m³
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Querverbindungen12 Stk. (3 befahrbar, 9 begehbar)
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Eingebaute Anker22.600 Stück
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Sprengstoff800 t
Weitere Besonderheiten
- Geologische Verhältnisse: Albulagranit, Allgäuschiefer, Rauwacke und Lockergestein
- Vortriebsmethode: Konventioneller Vortrieb (Bagger- und Sprengvortrieb)
- Ausbau: Innenschale aus Konstruktionsbeton (zweischaliger Bereich), Spritzbetonausbau (einschaligen Bereich)
- Besonderheiten: Vortrieb unter laufenden Bahnbetrieb, Jährlich 2,5 Monate Winterpause aufgrund Schlittenbahn auf Zufahrtstrasse
Erfolgreiche Zwischenbilanz
Trotz der oft schwierigen und gefährlichen Rahmenbedingungen konnte im Frühjahr 2018 die Baustelle die Marke von 500 Tagen ohne Arbeitsunfall überschreiten. Dies ist nur möglich durch den unermüdlichen Einsatz, den alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an oder eigentlich besser unter den Tag legen.