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Nachhaltigkeit

Junge Architektur mit Holz

Bauen mit Holz hat Tradition. Trotzdem: Moderne Holzprojekte waren vor ein paar Jahren noch undenkbar. Das ist heute anders.
Text: Karin Bornett

Schon im zwölften Jahrhundert haben die Menschen in Europa Häuser aus Holz gebaut. Ein paar davon stehen heute noch. Holz hat sehr viele positive Eigenschaften. Es ist ein nachwachsendes Material und bindet verbaut eine Menge CO2. Außerdem ist Holz in Sachen Wärmedämmung kaum schlagbar. Das spart nicht nur Energie, sondern auch Platz: Eine 6,5 cm dicke Wand aus Nadelholz dämmt beispielsweise im Schnitt genauso gut wie Wände aus 40 cm dicken Vollziegeln. Das Bauen mit vorgefertigten Elementen aus Holz ist zudem sehr schnell, präzise, gut planbar und somit auch kosteneffizient. Außerdem ist reines Holz optimal kreislauffähig.

Im Angesicht der Klimakrise und der Vorteile erneuerbarer Rohstoffe wurde Holz in den vergangenen Jahren als wertvolles Baumaterial wiederentdeckt. Viel Zeit, Geld und größtes Engagement gingen in Forschung und Entwicklung. Mit Erfolg. Neue und weiterentwickelte Methoden sowie innovative Technologien erlauben Architektinnen und Planern der Gegenwart, mit dem Baustoff Holz ganz neue Ideen zu entwickeln und hoch hinauszudenken.

Viele Probleme gelöst

Holz kann schimmeln und ist vergänglich. Es verträgt keine Feuchtigkeit, ist brennbar und nicht sehr tragfähig. Diese Probleme im Holzbau gehören der Vergangenheit an. Zahlreiche Projekte beweisen das. Die Freiburger Sacker Architekten bauen beispielsweise Hallenbäder vorzugsweise mit hohem Holzanteil, denn die Brettsperrholz-Dachbauteile bieten, anders als Stahl, keine Angriffsfläche für chlorhaltige Luft. Mit schlanken Querschnitten und dank ihres geringen Gewichts, können sie auch die großen Spannweiten über Schwimmbecken sicher überbrücken. Optimal dimensionierte Lüftungsanlagen und eine automatische Feuchtigkeitsregulierung schaffen ein konstantes Raumklima, in dem die Holzbauteile bedenkenlos eingesetzt werden können.

Die Leichtigkeit von Holz weiß auch das Architekturstudio IBUKU zu schätzen und nützen. IBUKU hat unter anderem die Sporthalle The Arc geplant. Die Halle ist Teil eines Bildungscampus in Bali und besteht aus einer komplexen Bambuskonstruktion mit einer Reihe sich kreuzender, 14 m hoher Bambusbögen. Diese umfassen eine Spannweite von 19 m. Gitterschalen, ebenfalls aus Bambus, verbinden die Bögen. So kann mit schlanken Strukturen, äußerst stabil und dabei sehr materialsparend gebaut werden. Die Halle von IBUKU wurde unter anderem bei den Global Design and Architecture Awards 2021 in der Kategorie Iconic Building ausgezeichnet.

Wolkenkratzer aus Holz

Weltweit entstehen auch immer mehr Holzhochhäuser. In der Hamburger HafenCity baut der Projektentwickler GARBE Immobilien-Projekte seit November 2020 mit dem roots das höchste Holzhybridhochhaus Deutschlands . Es umfasst 19 Geschosse – davon 16 in Holzbauweise – und misst circa 65 m. Oevermann, ein Unternehmen der PORR, errichtet den Stahlbetonrohbau. Die hoch lastabtragenden Außenwände werden in vorgefertigter Elementbauweise umgesetzt. Gemeinsam mit Massivholzdecken und einem tragenden Innenwandring bilden sie das Primärtragwerk des Turmes. Die Glasfassade ist primär dem Schallschutz geschuldet, übernimmt aber auch eine Witterungsschutzfunktion. Insgesamt werden für das Hochhaus inklusive Riegelgebäude rund 5.500 m3 Konstruktionsholz verbaut. Geplant haben das Projekt die Hamburger Architektinnen und Architekten von Störmer Murphy and Partners GbR.

In Sydney soll bis 2026 sogar ein 180 Meter hoher Turm mit 39 Geschossen in Hybridbauweise gebaut werden. Die Holzbauteile werden nach den Plänen der New Yorker Architekten SHoP und dem australischen Architekturbüro BVN von einem Stahlskelett getragen und von einer Stahl-Glas-Fassade geschützt.

In der Hamburger HafenCity entsteht Deutschlands höchstes Holzhybridhochhaus, das roots. © Garbe Immobilien-Projekte, Störmer Murphy and Partners

Tradition und Moderne in Einklang

In der südchinesischen Provinz Guangdong haben Brücken aus Holz Tradition. Ein rasantes Bevölkerungswachstum und die damit einhergehende Urbanisierung bedingen dort einen zügigen Ausbau der Infrastruktur. LUO Studio hat hier eine neue, 25 m lange Brücke realisiert – ganz im Sinne der örtlichen Tradition, überwiegend aus Holz. Das Tragwerk besteht aus drei parallel angeordneten Bogenträgern, der überdachte Korridor schützt die Passanten vor Hitze und Regen. Metallpaneele außen schützen die Holzkonstruktion.

Das Architekturbüro Henning Larsen wiederum, hat den ersten Kirchenneubau in Kopenhagen seit mehr als 30 Jahren entworfen. Der Standort im Kopenhagener Stadtteil Ørestad ist für seine ausdrucksstarke, teils experimentelle Architektur bekannt. Die neue Kirche wird aus Holz gebaut. „In Holz zu bauen und die Kraft des Lichts zu nutzen, war die naheliegendste Lösung; für das Klima, für den Kontext und für die Gemeinschaft", sagt Jacob Kurek, Global Design Director bei Henning Larsen.  „Unser Ziel war es, eine nachhaltige Kirche zu schaffen, die für sich selbst steht und zur Tradition des Experimentierens mit der gebauten Umwelt in Ørestad beiträgt", ergänzt Nina la Cour Sell, Design Director bei Henning Larsen. Mit dem Bau soll 2024 begonnen werden.

Von Wellnesstempel bis Stadtquartier

Ästhetik und Nachhaltigkeit waren auch bei der Planung des Wellnessbereichs vom Alpin Panorama Hotel Hubertus in Südtirol entscheidende Faktoren. NOA* Architekten haben eine zweigeschossige Wellnessplattform mit Pool und Sauna geschaffen, die 15 m über dem Boden frei in der Landschaft schwebt. Möglich macht das eine leichte Konstruktion aus mehreren Aluminiumpaneelen, die auf einem Stahlrahmen sitzen. Zwei mit Lärchenholz verkleidete Säulen tragen die Plattform. Im oberen Bereich befindet sich ein Pool. In den scheinbar über Kopf hängenden Häuschen unten ein gemütlicher Saunabereich. Im Ruheraum verbreitet ein Fußboden aus weiß geölter Eiche natürliche Wohlfühlatmosphäre. Bei diesem Projekt dient Holz nicht als tragendes Baumaterial, sondern setzt dezent ästhetische Highlights.

Ein Projekt ganz anderer Dimension wird in Mailand realisiert. Bis 2032 soll am ehemaligen EXPO-Gelände ein neues Stadtquartier, das West Gate, entstehen. Auf einer Fläche von 300.000 m² wird die Stadt in der Stadt das höchste Holzgebäude Italiens sowie zahlreiche Wohn-, Freizeit- und Bürogebäude aus Holz beheimaten. Der hohe Vorfertigungsgrad, innovative Ausführungsmöglichkeiten und Aspekte der Nachhaltigkeit haben die Bauherren davon überzeugt, vorwiegend auf Holz als innovatives Baumaterial mit Tradition zu setzen.

Der Wellnessbereich des Hotel Hubertus schwebt atemberaubend in der Landschaft. (c) Alex Filz

Wussten Sie, ...

  • … dass in Österreichs Wäldern jede Sekunde rund ein Kubikmeter Holz wächst? In 40 Sekunden ist damit etwa die Menge an Holz nachgewachsen, die für ein Einfamilienhaus benötigt wird.
  • … dass jeder verbaute Kubikmeter Holz rund eine Tonne CO2 bindet?
  • … dass das roots im Vergleich zur Errichtung in konventioneller Bauweise 31 % CO₂ spart? Das entspricht insgesamt 3.520 Tonnen eingespartem CO₂.

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